Raumluftqualität im Holzbau
Häusern aus Holz wird nachgesagt, hohe Konzentrationen an VOC an die Innenraumluft abzugeben.
Doch stimmt das? Zwei Forschungsprojekte nahmen die Fragestellung auf.
Zusammenfassung des Online-Seminars „Raumluftqualität im Holzbau“ der Holzforschung Austria vom 17.11.2020 - erstellt durch die Fa. Theurl, mit freundlicher Genehmigung der Holzforschung Austria.
Immer wieder geistert durch die Medien, dass die Raumluft in Holzgebäuden mit besonders hohen Werten an sogenannten „VOC“ belastet ist, und diese erhöhten Werte zu Beeinträchtigungen des Wohlbefindens führen können. Um dieser Frage nachzugehen, hat die Holzforschung Austria an zwei Projekten gearbeitet, die der Raumluftqualität mit standardisierten wissenschaftlichen Messungen nachgeht. Im Online-Seminar „Raumluftqualität im Holzbau“ wurden einige der hier erhaltenen Ergebnisse vorgestellt.
VOC - Flüchtige organische Verbindungen
Doch vor dem Beginn der Betrachtungen steht eine grundsätzliche Frage: Was genau sind VOC? Die Abkürzung steht für den englischen Begriff „volatile organic compounds“, auf Deutsch „flüchtige organische Verbindungen“. Dabei handelt es sich um bei bestimmten Temperaturen gasförmige Stoffe, die Kohlenstoff enthalten. VOC lassen sich nicht nur in Innenräumen, sondern auch im Freien nachweisen. Sie können biologischen oder künstlichen Ursprungs sein. Es gibt derzeit keine eindeutige, allgemeingültige Definition der Innenraumluftqualität, obwohl sie großen Einfluss auf BewohnerInnen hat. Alleine über die Summe an VOC lässt sich aber keine Aussage über eventuelle Beeinträchtigungen der Gesundheit oder des Wohlbefindens treffen. So können relativ hohe Mengen an toxikologisch unbedenklichen Substanzen unkritisch sein, während auch schon sehr kleine Mengen toxikologisch bedenklicher Stoffe vermieden werden sollten. Je nach Substanzart und Menge kann Raumluft aber zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, zum Beispiel zu Reizungen der Augen oder des Atemtrakts. So bleibt derzeit nur, die einzelnen Substanzen und Empfehlungswerte der gefundenen VOC genauer anzuschauen. Die Holzforschung Austria beschäftigte sich in Bezug auf die Innenraumluftqualität hauptsächlich mit der Messung von VOC, sowie Formaldehyd und anderen kurzkettigen Carbonylverbindungen.
Einen Umstand gab es bei diesen Arten der Messung zu beachten: Man kann die Emissionen mit dieser Methode nicht spezifischen Materialien zuordnen. Findet man zum Beispiel Terpene, können diese sowohl aus Wänden (im Holzhaus), Möbeln oder auch vom ev. vorhandenen Holzboden stammen, genauso gut aber auch aus Reinigungsmitteln. Um die genaue Quelle zu eruieren, müssten gesonderte Messungen direkt an den Materialien stattfinden.
Jeder Stoff hat Emissionen
Die Quellen der VOC sind kurz gesagt: ALLES! VOC sind immer rund um uns. In der Bauphase und zu Beginn der Wohnphase sind die verwendeten Materialien die maßgeblichen Emittenten. Dies können Holz, Gipskartonplatten, Beton und viele weitere Baumaterialien wie Farben, Lacke u.v.m. sein, aber auch Möbel, Textilien oder Teppiche. Je länger jedoch das Haus bewohnt ist, umso immanenter spielt das Bewohnerverhalten in die Zusammensetzung mit hinein. Durch die Nutzung von Parfüm, Haarspray, Kosmetika, Lufterfrischer, Putzmittel, Waschmittel, Weichspüler und vielen anderen Produkten verändert sich die Zusammensetzung der VOC in der Innenraumluft. Auch das Kochen gibt einiges an VOC ab. Nicht vernachlässigen darf man auch die Emissionen durch das Rauchen oder die Verwendung von Verdampfern.
Mengenvorhersage kaum möglich
Eine Vorhersage der zu erwartenden Konzentrationen in einem Gebäude ist schwierig, weil in jedem Raum ein Materialmix vorhanden ist. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Materialien gegenseitig beeinflussen. So können z.B.: Oberflächen die Substanzen kurz- oder langfristig binden. Auch eine dauerhafte Absorption oder das Absperren ist möglich. All diese Materialien machen die Vorhersage der Raumluftqualität höchst kompliziert.
Bewertungskriterien der Innenraumluft
Die meisten Länder haben eigene Vorgaben und Richtlinien hinsichtlich der Bewertung. In Österreich gibt der Arbeitskreis Innenraumluft des BMK die Richtwerte vor und diese können auf der Homepage des BMK eingesehen werden.
https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/luft/luft/innenraum/rl_luftqualitaet.html
Projekt Wood2New
Das Projekt Wood2New lief von 2014 bis 2017. Die Holzforschung Austria war neben vielen anderen internationalen Akteuren am Projekt beteiligt. Das Projekt beschäftigte sich nicht nur mit der Innenraumluftqualität, sondern stellte sich generellen Fragestellungen rund um den Bau und das Bewohnen eines Holzhauses. Im Rahmen der Arbeit der Holzforschung Austria wurde die Raumluft von 13 verschiedenen, neu gebauten Fertigteilhäusern, die in unterschiedlicher Bauweise erstellt waren, über mehrere Monate untersucht. Neben einem Betonbau waren jeweils sechs Bauten als Holzmassivbau bzw. Holzrahmenbau ausgeführt. Die erste Raumluftprobe wurde noch in der Bauphase genommen. Sechs weitere Proben wurden dann nach dem Bezug ungefähr im Monatsabstand genommen. Auch der Raum, in dem die Proben genommen wurden, war vorher festgelegt: Da der Mensch sich in seinem Zuhause am längsten im Schlafzimmer aufhält, wurde in diesem Raum gemessen.
https://www.holzforschung.at/forschung-entwicklung/projektliste/details/wood2new-18/
Signifikanter Abfall in den ersten Monaten
Als generelle Aussage lässt sich festhalten, dass die Wahl des Baumaterials nach einigen Monaten nicht mehr zu wirklich großen Unterschieden der in der Luft vorhandenen Mengen an VOC geführt hat. Da die Summe der VOC jedoch nur ein Indikator der toxikologischen Bewertung sein kann, nahm der Projektpartner Dr. Karl Dobianer für jedes Gebäude eine detaillierte toxikologische Bewertung vor, wobei in 2 Gebäuden, aufgrund des Nutzerverhaltens der Bewohner auffällige Ergebnisse erhalten wurden, während die Innenraumluftqualität in den anderen Gebäuden entsprach.
Projekt IASca
Das zweite Projekt der Holzforschung Austria lief unter dem Namen „IASca“ (Indoor Air Scavenger). Scavenger-Materialien können Substanzen aus der Luft aufnehmen und binden. Das Projekt widmete sich der Frage, ob es notwendig sein kann, Scavenger-Materialien in Gebäuden zu verwenden, um eventuell anfänglich hohe Substanzkonzentrationen an VOC aufzunehmen. Auch dieses FFG-Projekt wurde mit mehreren Projektpartnern, darunter das Österreichische Institut für Bauen und Ökologie GmbH, durchgeführt. Die groß angelegte Innenraumluftmessungen im Rahmen des Projekts umfasste 74 bestehende Gebäude die bereits 3 bis 8 Jahre bezogen waren. Unter den untersuchten Gebäudearten befanden sich Holzmassivbauten, Holzriegelbauten und mineralisch errichtete Häuser.
Kaum Unterschiede in den Bauweisen
Die Ergebnisse zeigten, dass einige Jahre nach Bezug nur mehr geringe Unterschiede zwischen den verschiedenen Bauweisen nachzuweisen sind. Die genaue Aufschlüsselung der Substanzarten zeigt, dass bei einigen Objekten mit erhöhten VOC-Summenwerten auch nicht die holzbautypischen Emissionen den größten Anteil an der Summe haben, sondern auch eine ganze Reihe an anderen Substanzen. Weiters zeigten die Messungen, dass in allen Objekten der Empfehlungswert von 100 μg/m³ für Formaldehyd eingehalten wurde. Auch die toxikologische Bewertung der erhaltenen Ergebnisse durch die MedUni Wien viel größtenteils positiv aus. Auch die Bewohnerzufriedenheit und das Wohlbefinden war in den Holzbauten generell sehr hoch.
Sieht man sich die Messergebnisse nach Bautypen und Substanzgruppen genauer an, so zeigt sich, dass keine Konstruktionsweise besondere Vor- oder Nachteile in der langfristigen Innenraumluftqualität vorweisen kann. Die Aussage, dass im Holzhaus generell eine schlechtere Innenraumluftqualität vorliegt, ist daher substanzlos. Der Einsatz von Scavenger-Materialien zur Verringerung der Substanzkonzentrationen ist bei Ausführung des Baus nach dem Stand der Technik und normalem Lüftungsverhalten daher auch nicht notwendig.
https://www.holzforschung.at/forschung-entwicklung/projektliste/details/iasca-48/
Nähere Informationen und Ergebnisse sind auf der Homepage der Holzforschung Austria zu finden bzw. auf Anfrage zu erhalten.
Elisabeth Habla, Holzforschung Austria
Mag.ª Elisabeth Habla studierte Chemie an der Universität Wien. Seit 2012 geht sie bei der Holzforschung Austria verschiedenen Fragestellungen im Bereich der Holzemissionen nach. Sie ist in der Projektarbeit und Projektleitung in nationalen und internationalen Forschungsprojekten zum Themenkomplex Innenraumluft und menschliche Gesundheit/ Wohlbefinden tätig und hatte die Projektleitung des vorgestellten Projektes IASca.